Veröffentlicht am 30. September 2019
Aktualisiert am 24. Oktober 2024
Wie es dazu kam
Wir besuchen die „Oldtimer und Fachwerk“ in Celle im August 2019. Bei der Abfahrt finden wir im Auto eine Visitenkarte und eine Zeitschrift. Der Chefredakteur des „Gasoline-Magazine“ hat durch das spaltbreit offene Fahrerfenster einen Kontaktwunsch hinterlassen. Seinem Wunsch entsprechend rufe ich ihn an. Er berichtet kurz und wünscht sich Fotos vom Auto.
Nachdem ich ihm eine Auswahl schöner Bilder per Mail zusende, bekomme ich einen Fragebogen. Außerdem die Info, welche Fotos veröffentlicht werden sollen. Ich sende den fertigen Bogen und die originalen Fotodateien an ihn. Ein paar Tage danach erhalten ich den Artikelentwurf. Es sollen drei Doppelseiten gedruckt werden.
Jetzt wird es spannend und die Zeit des Wartens beginnt.
Das Ergebnis
Im Zeitungskiosk sehen wir am 14. März 2020 in der aktuellen Ausgabe die Vorschau auf die Märzausgabe. Veröffentlichung am 19. März 2020.
Mit der Post segelt bereits am 18. März meine persönliche Ausgabe der Gasoline ins Haus. Ich bin begeistert und freue mich über den ausführlichen Artikel.
Darüber hinaus werden die interessantesten Artikel auf Facebook veröffentlich. Diesen teile ich natürlich gern in einer US-Car-Facebook Gruppe und ernte dafür viel Lob und Glückwünsche.
Für Lesefreunde der Artikeltext
My first Pony – 1969 Chevrolet Camaro
Falsche Fuffziger will niemand, aber feine Fuffziger? Die kommen uns mit Kusshand ins Heft, hier Marko, dort sein Camaro – beide Jahrgang 1969 und damit heuer zusammen hundert Jahre.
Na, welche Chevy Small Blocks gab es denn vor 1970? Ja klar, natürlich den 350er. Auch den 283er und den 327er wird eine halbwegs sattelfeste US Car-Runde zu nennen wissen, vielleicht auch noch den 265er sowie den 302er aus dem Camaro Z/28. Einer fehlt – nun geht das große Stammeln los! Wenn dieser Motor ein Mensch wäre, mein Gott, was müsste er sich aufregen über derartige Ignoranz. In die Autowelt gesetzt worden zum Vergessenwerden. Ein hartes Los, gewiss, dabei hatte er in seinem Wesen eigentlich bestens auf die bleiarmen und niedrig verdichteten, aber dafür um so katalysatorgereinigteren Seventies eingestimmt. Genug mit dem Zaunpfahl gewinkt? Na dann, Bühne frei für den – ba-da-bumm-tss – 307er! Hand aufs Herz und stramm gelogen: Wer hatte jene 1968 eingeführte Ablösung des 283ers auf dem Zettel? Letzterer gehörte als einer der ersten US-Motoren mit einem Gaul per Kubikzoll zu den absoluten Triebswerkslegenden, genau wie der vorangegangene 265er als Urknall der Small Blocks aus dem Querbinder-Lager. Über den 307er als dritten im Bunde der 3 7/8 Zoll-Gebohrten legte sich indes ein kollektiver Mantel des Schweigens, wie es sonst vor allem die Downsizing-Small Blocks von Ford und GM aus den ganz späten 70ern und frühen 80ern zu spüren bekamen. Klar wurden Luftpumpen wie 255er respektive 262er und 267er verbaut, flogen aber eben auch bei der erstbesten Gelegenheit zugunsten größerer und verbreiteter Aggregate mit mehr Schmackes wieder raus. Nicht so bei Marko: Der behielt den 307er in seinem Wagen, weil er gerade das war, was er war: ein ab Werk bis zu seinem Exitus 1973 stets und ausschließlich mit Doppelvergaser angebotener Sparmotor ohne nennenswerte Ansprüche. Lassen wir den Magdeburger doch selbst zu Wort kommen: „Für US Cars interessierte ich mich schon seit meiner Kindheit. Da ich in der DDR aufgewachsen bin, sah ich zunächst mal keine realen Möglichkeiten, an ein Stück blubberndes Detroit Iron zu kommen, doch ich sah auch gern fern und hatte speziell an US-Serien wie „Ein Colt für alle Fälle“, „Miami Vice“, „Die Straßen von San Francisco“, „Ein Duke kommt selten allein“ oder „Kojak“ meine helle Freude. In Aussicht auf meinen 40. Geburtstag reifte der Wunsch, mir einen Kindheitstraum zu erfüllen. Ich träumte schon immer von einer Amikarre mit fettem V8. So schaue ich mich nach einem Oldtimer um. Wegen der für mich nicht klaren Situation zu Unterhalt, Teilebeschaffung und Reparaturen siegte die Vernunft, es wurde nichts gekauft. Später überlegte ich, einen neuen Ami in Gestalt eines Chevrolet Camaro von 2010 zu kaufen, doch auch das verwarf ich.“
Pony ohne Performance
Durch die Überzeugung, das Leben zu leben und nichts zu versäumen, beschloss Marko 2016 endgültig, sich einen US-Oldtimer zu kaufen. Drehmomentstarke V8-Erfahrung hatte er da bereits mit einem als VW Touareg 4.2 TDI gesammelt und war als Hobby mit einem Jeep Wrangler TJ Rubicon über Stock und Stein gepoltert. Fündig wurde er im Mai 2017 bei einem Importeur im nicht allzu weit entfernten Raddestorf. Zur Besichtigung kam es erst im Juli, im September dann zur Probefahrt, in Empfang nehmen konnte der Sachsen-Anhaltiner sein Schätzchen am 28. Oktober. „Super, das gleiche Baujahr wie ich und coole Optik!
Ausschlaggebend war aber der tadellose Zustand des Wagens und dass Automatik sowie V8 an Bord waren. Ausstattung, Farbe und Motorleistung waren zweitrangig, nur vollständig sollte er sein.“ So ein Glück für den 1969 neu ins Camaro-Programm aufgenommenen 307er! Denn mit 200 PS und 407 Nm gehörte der mit einer 327er-Kurbelwelle gestrokte 283-ci-Block nun wirklich nicht zu den Performern dieser Zeit. Warum man gerade sowas in seinem Camaro haben muss? Die Frage drängt sich nicht zu Unrecht auf. Doch wer sich die deutschen Pony Cars Ford Capri, Opel Manta und VW Scirocco anschaut, stellt fest, dass es dort auch nicht nur 2.8i, 400 und GTI gab – gar nicht mal so wenige dieser Volkssportler wurden als eher asthmatische Basisversionen mit weit unter zwo Litern Hubraum und Leistungen von 50 bis 60 PS geordert. Weniger schmuck waren die Blechkleider deswegen ja nicht. Auch drüben gab es genug Zeitgenossen, die Ampelrennen und Burnouts für albernen Kinderkram hielten und Donuts lieber verspeisten als auf die Straße malten, auch wenn das so mancher einige Jahrzehnte später am liebsten als infame Lüge abtun wollen würde. Tatsächlich orderten 1969 29 % der Camaro-Kunden den 307er sowie 15 % einen R6, aber nur 23 % einen SS oder Z/28.
Da geht noch mehr
In Deutschland kam der Camaro mit der originalen Maschine an, die aber ausgelutscht und überholungsbedürftig war. Da am Wagen bereits vieles nicht mehr im Originalzustand war, ist die Entscheidung gefallen, dass Matching Numbers aufzugeben und einen bereits überholten Motor einzusetzen. Zumal der Chevy nix Besonderes ist (kein SS oder Z/28). „Die Gussnummer 3914636 M 5 vom Neuen besagt, dass dieser 307-ci-Motor von 1968 für einen B-Body bestimmt war. Auch die Motornummer 18D133069 K1127DR GM 5 barg Informationen. Mit der 1 ganz vorn wissen wir, dass der Motor in einen Chevrolet gehört, der mit der 8, dass er im Kalenderjahr 1968 gebaut wurde. Das D sagt aus, dass der Erst-Wagen in Doraville, Georgia montiert wurde und die laufende Nummer 133069 hatte. Da in Doraville vor dem 1969er Jahrgang keine Impalas montiert wurden, muss es sich um einen der ersten von diesem Modelljahr gehandelt haben, diese wurden ab Oktober 1968 montiert. K1127 bedeutet, dass der Motor in K = St. Catherines, Ontario bei McKinnon Industries Canada am 27. November gebaut wurde. DR bedeutet, dass er für ein B-Body-Model bestimmt war. Mit den Auskünften „B-Body“ und „Doraville“ bestätigte sich die Aussage, dass der Motor mal in einem Impala verbaut war. GM 5 verriet übrigens, dass der Block aus der fünften Gussform des Baujahres stammt.“ Mit den 200 SAE-Serien-PS war Marko nicht einverstanden und fällte einen persönlichen Nachrüstbeschluss – sehr zur Freude der Firma Edelbrock, denn der Einkaufszettel war etwas länger: Zuoberst ein 14-zölliger Pro-Flo Series Luftfilter, darunter ein Vierfach-Vergaser, der auf einer Performer Ansaugspinne sitzt. Dazu zwei Performer RPM Alu-Zylinderköpfe, in deren Mitte eine RPM Nockenwelle rotiert. Eine elektronische MSD Street Fire HEI-Zündung sorgt für kräftige Funken, die zweiflutige 2,5-Zoll-Auspuffanlage mit H-Rohr und 4-in-1 Flowtech 11100FLT Fächerkrümmer für kerniges Röhren. Nun hat die dreistufige TH350-Automatik rund 50 PS mehr zu verwalten, wobei die 2,56:1 übersetzte Hinterachse an einlagigen Blattfedern eher längeren Touren als wüsten Beschleunigungsorgien dienlich ist. Zudem kam ein Umbausatz auf vordere Scheibenbremsen inklusive Bremskraftverstärker zum Einsatz.
Anstelle der ursprünglichen 14-Zöller fanden im Rahmen der Nachrüstung der vorderen Scheibenbremsen mit Chromring und Sombrerocaps aufgepeppte Stahlräder in 7×15 vorn und 8×15 hinten mit 215/65er Cooper Cobra Radial G/T an den Camaro. Die 14er hätten nicht über die Scheiben gepasst. In naher Zukunft muss das Fahrwerk überholt werden. Die Buchen sind im März 50 geworden und haben die besten Zeiten hinter sich, anders als Camaro und Marko. Die Lenkung ist amerikanisch „straff und präzise“. Kenner wissen was gemeint ist. Die Beschleunigung ist traumhaft und vom Gefühl mit den 340 PS vom Touareg zu vergleichen. Die Bremsen verzögern klasse. „Mit einer zielsichereren Lenkung würde sich das Fahren nicht von modernen Wagen unterscheiden. Es ist und bleibt was ganz Besonderes.“ findet Marko. Sicher auch wegen der atemberaubenden Akustik ohne Soundanlage.
Midwest-built, Westcoast-Resto
Laut Cowl Tag lief der in Garnet Red lackierte Chevy in der 4. Februarwoche 1969 im Montagewerk Norwood, Ohio vom Band. Natürlich nicht nackig, vielmehr hatte der Erstbesitzer den Basispreis von 2.727 auf gut 3.300 Dollar hochgetrieben. Außen bestand er auf getöntes Glas für alle Fenster, das pergamentfarbene Vinyldach und die Exterior Style Trim Group mit Radläufen, Regenrinnen, Kotflügel-Lamellen, Schwellerleisten, Scheinwerfergehäusen sowie Rückleuchteneinfassungen in Chrom. Zudem waren die Hydra-Matic, die Mittelkonsole mit Horseshoe-Wahlhebel, Ablagefach, Aschenbecher, und hinterer Fußraumbeleuchtung sowie das AM-Druckknopfradio mit Teleskop-Front-Antenne gefragt. Gemäß Shipping Data Report der National Corvette Restorers Society war der Camaro am 14. März 1969 an seinem Bestimmungsort angekommen, die Auslieferung erfolgte durch die „East Bay Chevrolet Company“ mit der Händlernummer 212 in der Region 6 Albany, Kalifornien. „Die Rechnung einer Radiokette von 1988, die ich hinter einer Fußraumverkleidung in einem Mäusenest fand, legt nahe, dass das Coupé in der Nähe von Redding, Kalifornien einen weiteren Besitzer hatte“, berichtet der Elektroingenieur. „Nachdem der Wagen für einige Zeit stillgelegt worden war, ließ ihn die letzte Besitzerin in den USA, Cecelia René Cooper aus dem kalifornischen Marysville am 8. Dezember 2012 wieder zu. Zuvor hatte ihr Mann David rund 10.000 Dollar in neue Lackierung, schwarze statt wie zuvor rote Sitzbezüge und Türpappen gesteckt sowie Armaturentafel und Mittelkonsole gesprayt. Auch das fortan schwarze Vinyldach, der Grill, Front- und Heckspoiler sowie die Cowl-Induction-Motorhaube kamen neu. Gut drei Jahre hatten sie Spaß, bis am 25. Februar 2016 auf ebay das Höchstgebot von 24.656 Dollar den Zuschlag für den F-Body mit angegebenen 74.526 Meilen bekam.“ Tausende Seemeilen später freuten sich American Collectables aus dem niederländischen Thiel dann im August 2016 über den Abschluss der Einfuhrformalitäten. Was dann passierte, ist unklar; jedenfalls wurde der Wagen am 16. April 2017 mit 76.643 Meilen auf dem Tacho beim Raddestorfer Händler angeliefert. Kurz darauf stieß Marko auf das Inserat, kam, sah und unterschrieb. „Im Oktober 2017 wurde mein Camaro für das H-Kennzeichen freigegeben, seither besuchte ich etliche Treffen. Von Passanten gab es ständig Daumen hoch, negative Erfahrungen habe ich nicht gemacht. Weil ich kein KFZ-Schlosser bin, ist jede Reparatur ein Abenteuer. Vor dem Lösen von Problemen muss ich mich immer intensiv in die Materie einlesen.“ Dann mal frohes Schaffen – hoffentlich ohne weiteren Nagerfund!