Timing und Vakuumverstellung

Erläuterungen und Erklärungen zur Funktion der mechanischen Zündzeitpunktverstellung und Unterdruckverstelluhng

von John Hinckley1, übersetzt und aufbereitet von mir

Vieles im folgenden Text habe ich auf meinen Seiten zur Zündzeitpunkteinstellung und Vergasereinstellung ebenfalls beschrieben. Die folgende Abhandlung von John Hinckley ist aber eine sehr gute Zusammenfassung und bring es auf den Punkt.

https://www.camaros.net/threads/timing-amp-vacuum-advance-101.150344

Quelle


Wie viele von euch wissen, zählen Zündzeitpunkt und Unterdruckverstellung zu meinen Lieblingsthemen. Während meiner Zeit bei GM war ich an der Entwicklung einiger dieser Systeme beteiligt und kenne ihre Funktionsweise im Detail. Vielen fehlt dieses Wissen, da es kaum verständliche Fachliteratur dazu gibt. Daher sind viele dem Irrglauben erlegen, die Unterdruckverstellung würde die Motorleistung beeinträchtigen. Nichts könnte falscher sein.

Kürzlich habe ich mich endlich hingesetzt und eine Einführung zu diesem Thema verfasst, um das Zusammenspiel von Unterdruckverstellung, Zündzeitpunkt und Fliehkraftverstellung zu erläutern – und zu zeigen, wie diese Systeme gemeinsam den Motorbetrieb und die Leistung optimieren. Hier folgt der Text in voller Länge – etwas umfangreich, aber hoffentlich lehrreich.

Grundprinzip

Das Wesentliche ist: Magere Gemische – wie sie im Leerlauf oder bei gleichmäßiger Fahrt auftreten – benötigen länger, um zu verbrennen als fette Gemische. Besonders im Leerlauf, da das Leerlaufgemisch, bei vorhandenen AIR-Systemen, zusätzlich durch Abgasrückführung verdünnt wird. Daher muss bei magerem Gemisch der Zündfunke früher im Verdichtungstakt erfolgen (Frühzündung), damit genügend Zeit für den Verbrennungsvorgang bleibt und der maximale Zylinderdruck kurz nach dem oberen Totpunkt (OT) erreicht wird. Das sorgt für optimale Effizienz und geringere Abgastemperaturen, also weniger Energieverlust. Fette Gemische hingegen verbrennen schneller. Deshalb muss der Zündfunke später gesetzt werden, damit der maximale Zylinderdruck ebenfalls kurz nach OT erreicht wird.

Mechanische bzw. Fliehkraftverstellung

Das Fliehkraftverstellungssystem im Verteiler beeinflusst den Zündzeitpunkt ausschließlich in Abhängigkeit von der Drehzahl – unabhängig von Last oder Betriebszustand. Der Betrag und die Geschwindigkeit der Frühzündung werden durch die Gewichte und Federn des Nockenmechanismus bestimmt. Die durch den Verteiler hinzugefügte Frühzündung ergibt zusammen mit dem statischen Grundwert den sogenannten „Gesamtzündzeitpunkt“ (typischerweise 34–36° bei höheren Drehzahlen, was die meisten Small Blocks bevorzugen).

Die Unterdruckverstellung hat auf diese Gesamtzeitsteuerung und damit auf die Leistung keinen Einfluss, da der Unterdruck bei geöffneter Drosselklappe nahezu auf Null fällt und die Unterdruckverstellung dann außer Funktion ist. Sie ist also nicht Teil der Gleichung „Gesamtzündzeitpunkt“.

Offener Zündverteiler
Geöffneter Verteiler

Rolle der Unterdruckverstellung

Im Leerlauf benötigt der Motor eine zusätzliche Frühzündung, um das magere, verdünnte Gemisch rechtzeitig zu entzünden und den maximalen Zylinderdruck an der optimalen Stelle zu erreichen. Deshalb wird die Unterdruckverstellung – korrekt am Manifold-Unterdruck, nicht am „Ported Vacuum“ – angeschlossen. Der hohe Saugrohrunterdruck im Leerlauf aktiviert sie und fügt zur statischen Grundeinstellung etwa 15° Frühzündung hinzu. Liegt der statische Zündzeitpunkt also bei 10°, beträgt der effektive Wert im Leerlauf mit aktiver Unterdruckverstellung rund 25°.

Dasselbe geschieht bei konstanter Autobahnfahrt: Das Gemisch ist mager, die Last gering, der Unterdruck hoch – die Unterdruckverstellung ist aktiv. Würde man mit einer Stroboskoplampe auf den Schwingungsdämpfer zielen, sähe man bei konstanter Geschwindigkeit rund 50° Vorzündung (10° statisch + 20–25° Fliehkraft + 15° Unterdruck).

Beim Beschleunigen reichert sich das Gemisch an (durch Beschleunigerpumpe, usw.), verbrennt schneller und benötigt keine zusätzliche Frühzündung. Gleichzeitig sinkt der Unterdruck, die Unterdruckverstellung fällt ab, und der Zündzeitpunkt reduziert sich wieder auf die Summe aus statischer und fliehkraftabhängiger Verstellung. Erst beim Gaswegnehmen steigt der Unterdruck wieder an, und die Unterdruckverstellung wird erneut aktiv, sobald der Motor in den Teillastbereich zurückkehrt.

Unterdruckdose mit Schlauch am Verteiler

Unterschied der Systeme

Die Fliehkraftverstellung reagiert ausschließlich auf Drehzahländerungen.
Die Unterdruckverstellung hingegen reagiert auf Motorlast und wechselnde Betriebszustände. Sie stellt stets die passende Frühzündung bereit, abhängig von der Last – für mageres ebenso wie für fettes Gemisch.

Nach damaligem Maßstab war dies ein einfaches, aber sehr effektives System: Es optimierte Wirkungsgrad, Gasannahme, Verbrauch und Leerlaufkühlung – ohne jede Beeinträchtigung der Leistung bei Volllast, da sie dort nicht aktiv ist.

Moderne Motorsteuerungen übernehmen diese Aufgabe heute elektronisch – mit Sensoren, die Gemisch und Zündung dutzende Male pro Sekunde anpassen. Einen mechanischen Verteiler gibt es nicht mehr.

Mechanischer Vorschub
Vakuumvorschub

„Manifold Vacuum“ vs. „Ported Vacuum“

Über Jahrzehnte wurde die Unterdruckverstellung über vollen Saugrohrunterdruck gesteuert. Mit den aufkommenden Abgasvorschriften – noch vor Einführung der Katalysatoren – griff man jedoch zu einfachen Notlösungen, um Kohlenwasserstoffe und Stickoxide zu reduzieren. Eine davon war die sogenannte „Ported Spark“-Steuerung:
Die Unterdrucköffnung wurde oberhalb der Drosselklappe angeordnet, sodass im Leerlauf kein Unterdruck anlag. Damit blieb die Unterdruckverstellung im Leerlauf deaktiviert, der Zündzeitpunkt wurde künstlich verspätet. Viele dieser Motoren hatten zusätzlich einen sehr niedrigen statischen Zündzeitpunkt (4° oder weniger, teils sogar 2° nach OT).

Das sollte die Abgastemperaturen erhöhen, um mithilfe des AIR-Systems (sekundäre Luftzufuhr) unverbrannte Kohlenwasserstoffe im Abgas nachzuverbrennen. Das Ergebnis: schlechte Laufkultur, Hitzeprobleme im Leerlauf, sinkender Wirkungsgrad und hoher Kraftstoffverbrauch.

Um dennoch auf die gewohnte Gesamtverstellung von 34–36° zu kommen, erhielten diese Motoren eine stark erweiterte Fliehkraftverstellung – teilweise bis 34° allein aus dem Verteiler. Die Unterdruckverstellung funktionierte bei konstanter Fahrt (mageres Gemisch = geringe Emissionen) zwar weiterhin, blieb im Leerlauf jedoch inaktiv. „Ported Vacuum“ war somit nichts anderes als eine emissionsbedingte Übergangslösung der Vor-Katalysator-Ära.

Hochglanzverteiler ohne Unterdruckdose

„Billet-Verteiler“ ohne Unterdruckverstellung, wie sie in Katalogen von Summit oder Jeg’s beworben werden, sind für Straßenfahrzeuge ungeeignet.

Sie stammen aus dem Rennsport, wo Motoren dauerhaft mit fettem Gemisch, Volllast und hoher Drehzahl laufen – dort ist keine Anpassung an wechselnde Betriebszustände nötig. Im Straßenbetrieb führt das Fehlen der Unterdruckverstellung dagegen zu Nachteilen: schlechtere Gasannahme, höhere Temperaturen im Leerlauf, geringere Effizienz und höherer Verbrauch.

Viele glauben, eine Unterdruckverstellung sei überflüssig – meist, weil sie deren Funktion nicht verstehen. Dieses Missverständnis ist selbst unter erfahrenen Mechanikern weit verbreitet.

Kalibrierung der Unterdruckverstellung

Serien– und Tuningmotoren unterscheiden sich hier deutlich.

Viele Serien-Unterdruckdosen erreichen ihre volle Wirkung erst bei etwa 15 Zoll Hg Unterdruck. Bei Motoren mit scharfer Nockenwelle und geringerem Leerlaufunterdruck funktioniert das schlecht: Die Dose „zittert“, reagiert auf kleinste Druckänderungen und sorgt für instabilen Leerlauf.

Motoren mit weniger als 15 Zoll Hg Unterdruck benötigen daher eine Dose, die bereits 1–2 Zoll Hg unterhalb des Leerlaufwertes voll ausgesteuert ist.

Fazit

Für maximale Leistung, Fahrbarkeit, Leerlaufkühlung und Effizienz im Straßenbetrieb ist eine an den vollen Saugrohrunterdruck angeschlossene Unterdruckverstellung unverzichtbar.

Unbedingt!

Und wer bei Summit oder Jeg’s nachfragt, wird dort kaum kompetente Antworten erhalten – die verkaufen lieber „Rennsportteile“.


Wer ist John Hinckley

  1. Nach seinem Bachelor of Science (BSME) an der Michigan State University und drei Jahren als Offizier der Heeresflieger begann John Hinckley 1964 bei Chevrolet im Montagewerk Willow Run als Produktionsleiter, wo er den Chevy II und den Corvair baute. 1966 wechselte er als leitender Verfahrensingenieur für Personenkraftwagen zur Chevrolet Pilot Line in Flint. Von 1966 bis 1968 war er der Corvette Group bei Chevrolet Engineering in Warren als Fertigungsverbindungsingenieur zugeteilt und verantwortlich für die zukünftige Corvette-Montage. Er verbrachte viel Zeit in allen Chevrolet-Montagewerken, darunter beim Ausbau des 67er und der Mittagspause des 68er bei St. Louis-Corvette.
    Zu seinen späteren Aufgaben zwischen 1969 und 1975 gehörten die Planung und Durchführung der Umstellung des Montagewerks in Lordstown, Ohio, von der Caprice/Firebird-Produktion auf den Vega, die Leitung der Vega-Einführung, die Tätigkeit als Generalvorarbeiter und später als Leiter der Fahrgestell- und Endmontageproduktion in Lordstown sowie die Vorbereitung des Cosworth-Vega. Es folgten zehn Jahre (von 1975 bis 1985) als Projektleiter Produktionstechnik in der GM-Montageabteilung für das „X“-Autoprogramm von 1980 und als verantwortlicher Ingenieur für die Vorabplanung der Produktion und Werkzeuge für alle neuen Programme des GM-Projektzentrums.
    John wurde 1985 von GM von Chrysler abgeworben und übernahm dort die Funktion des Fertigungsleiters für das Projekt Liberty, dann die Funktion des Chefingenieurs für die Vorabentwicklung von Prozessen und schließlich die Funktion des Leiters der Vorabfertigungstechnik für große und kleine Fahrzeugplattformen. Er verbrachte die letzten fünf Jahre seiner 37-jährigen Karriere als Werksleiter des Viper/Prowler-Montagewerks in Detroit, bevor er im März 2001 in den Ruhestand ging. Während seiner gesamten Karriere konzentrierte er sich auf Produktionstechnik, Montagebetrieb, Verarbeitung, Werkzeuge und Anlagen.
    John ist ehemaliger Vorsitzender der NCRS (National Corvette Restorers Society) Michigan Chapter (2001–2006), erfahrener Gold-Zertifizierungsrichter in Bloomington und Ausbilder in Corvette-Restaurierungswerkstätten. Er war Kernmitglied der Camaro Research Group (www.camaros.org) und ist Mitglied des Solid Axle Corvette Club, des Eastern Michigan Camaro Club und der Society of Automotive Engineers. John verfasste zahlreiche technische Artikel für interne GM– und Chrysler-Publikationen, viele SAE-Präsentationen, Artikel für OEM-Fachzeitschriften im Automobilbereich sowie zahlreiche technische Artikel im NCRS-Magazin „Corvette Restorer“ und wurde 2003 zum Vintage Technical Editor des landesweit renommierten Magazins „Corvette Enthusiast“ ernannt, in dem über 110 seiner technischen Artikel und Kolumnen zum Thema Corvette veröffentlicht wurden. John und Linda bauten vor sieben Jahren ihr Altersheim, einschließlich seiner 230 m² großen, angebauten „Traumgarage“ für seine preisgekrönte Corvette von 1967 und seinen Camaro Z/28 von 1969. John besitzt seit 1972 sieben Ferraris und hat zahlreiche Rennwagen und Street Rods gebaut, sechs Corvettes komplett restauriert, drei 427 Cobra-Repliken und eine Corvette Grand Sport-Replika mit Rohrrahmen gebaut.
    John wurde 2009 in die Hall of Fame des National Corvette Museum aufgenommen..  ↩︎